11. SONNTAG im Jahreskreis
Evangelium nach Matthäus (9,36-10,8)
Was erwartet Jesus von seinen Jüngern, seinen „Christen“, von uns? Vielleicht sind wir uns dessen zu wenig bewusst: Christsein heißt: etwas tun, aktiv sein, eine Aufgabe, einen Auftrag erfüllen. Nicht nur einfach „religiös“ sein, auf sein eigenes „Seelenheil“ bedacht sein; nicht nur sagen: „Ich glaube an Jesus und dass er von Gott gesandt wurde.“ Jesus hat uns beauftragt. Er will, dass wir in dieser Welt etwas tun.
Jesus war für seine Mitmenschen da, sich um sie sorgend, fürsorglich. Das wird - in der damaligen Sprache - dann so umschrieben: „Böse Geister auszutreiben und alle Krankheiten und Leiden zu heilen.“ Er hatte Mitleid mit allen, die unter den unterschiedlichsten körperlichen und seelischen Qualen litten, und dadurch oft hilflos, erschöpft und orientierungslos waren. In seiner Bergpredigt sagte Jesus: Glücklich seid ihr Armen, Kranken, Trauernden, Hungernden, Dürstenden, Verfolgten, Auf-die-Seite-Geschobenen, Wehrlosen... denn auch ihr seid wertvoll, weil auch ihr von Gott geliebt seid. Auch ihr seid Söhne und Töchter von Gott, auch wenn die Menschen euch links liegen lassen, euch übergehen und vergessen. Es ist bekannt, dass am Anfang des Christentums gerade solche Menschen zu Christen wurden. Gerade sie fühlten sich von diesem Gott-der-Hoffnung angesprochen.
In der ersten Lesung haben wir gehört, wie Gott Mose beauftragt seinem Volk zu sagen: „Ihr habt erlebt, dass ich euch getragen habe wie ein Adler seine Jungen“. Ein sehr schönes Bild für Gott. Wir wissen: Wenn ein Adler seinen jung geschlüpften Küken das Fliegen beibringen will, tut er das auf eine besondere Art und Weise. Da seine Jungen viel zu ängstlich sind, um den Versuch zum Fliegen zu unternehmen, stößt der Adler sie aus dem Nest. So sind sie gezwungen, ihre ersten Flugversuche zu unternehmen. Wenn alles gut geht, lernen die Jungen so das Fliegen – eine Sache, die für Raubvögel lebenswichtig ist. Doch niemals würde der Adler es zulassen, dass eines seiner Jungen abstürzt und zu Tode kommt. Vorher fliegt er unter die taumelnden Jungen und fängt sie mit seinen starken Flügeln auf. Gott lässt euch nicht fallen!
Jesus hat Menschen um sich gesammelt, und sie haben gesehen und erfahren, wie er gelebt, gesprochen und gehandelt hat. Und er gibt ihnen den Auftrag, diese Lebensweise zu übernehmen, in Wort und Tat für die Menschen da zu sein. Es waren keine besonderen Leute, mit besonderen Begabungen, keine gebildeten Leute, sondern Menschen, die mitten im Leben standen, hart arbeiten mussten, Fischer. Menschen mit total verschiedenen Charakteren. Da war ein Petrus, der oft ein großes Mundwerk hatte, aber als es darauf ankam, als es gefährlich wurde, einfach sagte: „Ich kenne diesen Mann nicht.“ Sogar einer von diesen gehassten Zollbeamten, Matthäus, gehörte zu seinen Anhängern. Auch ein Simon, der zu einer damaligen Untergrundbewegung, den Zeloten, gehört hatte. Und ein Judas, der Jesus schließlich ausliefern wird. Was war das für eine Gesellschaft!
Und trotzdem sagt Jesus zu dieser Truppe, zu diesen konkreten Menschen, sie sollen das, was er gesagt und getan hat, weiterführen. Sie sollen zu den Menschen über diesen Gott reden, von dem Jesus immer geredet hat und sie sollen sich um Menschen kümmern, denen es nicht so gut geht. Und all dies ohne Vergütung, ohne dafür bezahlt zu werden: „Umsonst habt ihr alles bekommen, umsonst sollt ihr es weitergeben.“ Diese Haltung bedingungsloser Zuwendung zu den Menschen erwartet Jesus von seinen Jüngern.
„So richtet Gott seine Herrschaft in dieser Welt auf“, sagt Jesus. Gott wirkt in und durch uns, indem wir so leben, wie Jesus. So verwirklicht Gott sein Reich, das Reich Gottes in dieser Welt. Als Christen stehen wir in seinem Dienst, sind wir seine Mitarbeiter in dieser Welt. Ob wir uns dessen genügend bewusst sind?